Die Prinzessin von Sibirien by Christine Sutherland

Die Prinzessin von Sibirien by Christine Sutherland

Autor:Christine Sutherland [Sutherland, Christine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-01-13T16:00:00+00:00


Die Kälte wich langsam, aber die Staatsgefangenen wurden von einer anderen Plage heimgesucht: einer Invasion von Höhen. »Als hätte man die chinesische Folter auf die schlimmsten Verbrecher angewendet«, erinnerte sich Trubezkoj in seinen Memoiren. »Wir rieben den Körper mit Terpentin ein, aber es brachte kaum Erleichterung.« Maria und Katjuscha kamen von ihren immer so sehnlichst erwarteten Besuchen im Gefängnis von Höhen befallen zurück; sie mußten sich beeilen und jedes Kleidungsstück ausschütteln; trotzdem gab es offenbar keine Möglichkeit, die Höhe aus ihrer Unterkunft fernzuhalten.

Die Zusammenkünfte der Frauen mit ihren Männern fanden immer in Gegenwart eines Wärters oder eines Unteroffiziers statt. Diese Leute waren ganz verschieden, vom trägen, gutmütigen, leicht zu bestechenden Menschen bis zu Männern, die von Natur aus grausam waren und bestrebt, die Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten auf sich zu lenken, indem sie über alles, was vor sich ging, Ungünstiges berichteten. Anlaß für viele Schwierigkeiten war die Tatsache, daß – so merkwürdig es scheinen mag – weder Katjuscha noch Maria fließend Russisch sprachen. Katjuscha Trubezkaja, geborene Laval, Tochter eines emigrierten französischen Aristokraten und der unerhört reichen russischen Gräfin Kosizkaja, war zum Teil in Paris aufgewachsen, wo sie Fürst Trubezkoj kennengelernt und geheiratet hatte. Sie hatte mit ihrem Mann nie anders als französisch gesprochen; das war die in der Petersburger Gesellschaft gebräuchliche Sprache; ihr Russisch war ausschließlich Kindersprache. Maria, die in der Ukraine aufgewachsen und der Heimat viel mehr verbunden war als die meisten jungen Frauen ihrer Gesellschaftsschicht, hatte trotzdem nur die Grundkenntnisse des Russischen, die man brauchte, um sich mit den Bediensteten und den Bauern in Boltischka zu verständigen. Ihre eigentliche Sprache war Französisch. So war es im neunzehnten Jahrhundert Brauch unter den russischen Damen der Oberschicht; unter normalen Umständen hatte man die »Muttersprache« kaum nötig, außer um mit Dienern, Arbeitern und kleinen Einzelhändlern zu sprechen; die größeren Kaufleute rühmten sich schon ihrer guten Kenntnisse der französischen Sprache. Maria sprach und korrespondierte mit ihrer Familie nur auf französisch. Das Russisch der Männer war im allgemeinen recht fließend – das war wesentlich für Offiziere in der Armee und bei der Verwaltung ihrer Landgüter –, aber selbst die Männer zogen es vor, untereinander französisch zu sprechen, nicht nur weil das die feine Lebensart war, sondern auch damit sie von den Bedienten, die ja immer um sie herum waren, nicht verstanden wurden. Es war nicht immer gutes Französisch. Es gab viele Mischbildungen, die ein Franzose nur mit Mühe verstanden haben würde, und die Rechtschreibung war oft höchst unorthodox – »fantaisie« nannte Tocqueville das –, aber jedenfalls wurde bei vertrauten Gesprächen zwischen einem russischen Aristokraten und seiner Frau im allgemeinen französisch gesprochen. Der Ärger in Sibirien war, daß die Aufseher zuhören sollten, aber nicht verstanden, was gesagt wurde. Ein träger Mensch ließ den Gefangenen das durchgehen; er gähnte, schüttelte den Kopf und schlief ein oder steckte zufrieden ein kleines Schmiergeld weg. Andere aber unterbrachen die Unterhaltung barsch und verlangten, daß russisch gesprochen wurde. Dadurch wurde der Austausch zwischen den Eheleuten auf ein niedriges Niveau reduziert oder zu einem einseitigen Monolog des Mannes auf russisch, bei



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